Natur oder Technik?

Naturgartenplaner Dr. Reinhard Witt über die Negativeffekte überbordender Garten-App-Nutzung.

Die Covid-Pandemie hat als positive Nebenwirkung eine gestiegene Zuwendung zu Heim, Haus und Garten gebracht. Dabei haben sich immer mehr Menschen überlegt, was für ein Stück Garten sie anschauen möchten. Das gegenwärtige, so das Urteil, eher nicht länger. Das Interesse an der Neuausrichtung lief dabei in zwei Richtungen. Die eine hin zu mehr Natur, also zu mehr heimischen Pflanzen, mehr ökologisch wertvollen Blumen und zum echten Naturteich. Die andere Richtung führte zur technischen Aufrüstung, zur smarten Optimierung des eigenen Gartens.

Dafür hat die Gartengeräte-Industrie einiges im Einkaufswagen liegen: Lichtsteuerung, Bewässerungstechnologie, mähende Roboter und weiteren technischen Schnick-Schnack. Mit dem Smartphone lässt sich alles Mögliche im Garten steuern – ohne ihn je betreten zu haben. Doch was macht der ferngesteuerte Garten mit dem Menschen? Wird daraus der ferngesteuerte Mensch? Eine Art Cyborg, der sich auf technokratisch definierten Bahnen bewegt? Den es, seiner fünf Sinne beraubt, bald noch mehr langweilt, seinen Garten selber betreten zu müssen? Und der sich deshalb gar nicht mehr bewegt? Geht hier das Humane insgesamt verloren?

Individualität und Identität des Menschen werden missachtet. Er braucht nichts mehr (zu tun). Knöpfchen drücken reicht. Fehlt nur noch das Lagerfeuer, das sich per App selbst entzündet. Geht damit nicht das eigene Gefühl verloren? Das eigene Tun? Das Verbundensein mit Pflanzen und Tieren? Sich selbst als Lebewesen und Teil eines Ganzen zu spüren?

Mensch sein heißt nicht: Weg sein. Mensch sein heißt: Da sein. Genau da, wo das Leben pulsiert. In der Natur im Garten. Dazu braucht es nicht immer neue Technik. Nur ein bisschen Zeit und Lebenslust.  

Zur Person

Dr. Reinhard Witt, Jahrgang 1953, ist Biologe und Journalist und schon seit 40 Jahren naturnah unterwegs. Er hat zahlreiche Bücher über heimische Pflanzen, naturnahes Bauen, den Klimawandel und das öffentliche Grün publiziert. Zusammen mit Katrin Kaltofen ist er Teil des Duos „Die Naturgartenplaner“.

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