Öfter mal abschalten

NABU-Naturschutzreferentin Juliana Schlaberg erläutert, wie verheerend sich künstliche Beleuchtung auf die Tierwelt auswirkt.

Der Berliner Osthafen bei Nacht. Juliana Schlaberg vom NABU Berlin fordert eine sparsamere Verwendung von Außenbeleuchtung. Foto: NABU/Artur Keil

Die Energiekrise hat die Regierung dazu veranlasst, kurzfristige Energiesparmaßnahmen zu ergreifen. Dafür wurde beispielsweise die Beleuchtung an öffentlichen Gebäuden und Kunstwerken nachts ausgeschaltet. Dass diese Sparmaßnahmen auch Insekten, Amphibien und Vögeln helfen, ist wohl den wenigsten bewusst. In einer dunklen Nacht ist es prinzipiell möglich, bis zu 3.000 Sterne in der Stadt sehen. Doch in unseren hellen Städten kommt man lediglich auf etwa 100 Sterne.

Mit dem Einsatz von künstlichem Licht sind gravierende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt verbunden. Der Tag-Nacht-Zyklus der Tiere ist ausschlaggebend für Wachstum, Stoffwechsel, Fortpflanzung und Gesundheit der Tiere. Durch künstliches Licht verschieben sich Aktivitätsphasen, wodurch sich schlussendlich ganze Nahrungsnetze verändern können. Lichtscheue Arten verschwinden oder ändern ihr Verhalten. So können zum Beispiel beleuchtete Brücken eine Barriere für die Wanderung von Fischen darstellen. Amphibien werden durch Licht im Straßenverkehr ebenfalls bei ihrer Wanderung beeinträchtigt, indem sie geblendet werden und im Extremfall in eine Starre fallen. Bis sich das Amphibienauge den Helligkeitssprüngen angepasst hat, können Minuten oder gar Stunden vergehen, besonders beim Wechsel vom Hellen ins Dunkle. Das kostet Energie, Zeit und Reproduktionschancen und erhöht das Risiko, auf der Straße getötet zu werden. Die bekannteste leidtragende Artengruppe ist jedoch die der Insekten. In Sommernächten kann man sehen, wie hunderte Nachtfalter um eine Straßenlaterne schwirren. Durch das künstliche Licht sind sie desorientiert und fliegen teilweise so lange um das Licht herum, bis sie vor Erschöpfung sterben. Darüber hinaus produzieren manche Tagfalter im hellen Kunstlicht weniger Sexuallockstoffe und pflanzen sich weniger fort. Da auch Nachtfalter für die Bestäubung von Pflanzen wichtig sind, haben unsere hell erleuchteten Städte weitreichende ökologische Konsequenzen.

Lösungen für weniger Lichtverschmutzung und zur Verminderung der negativen Auswirkungen auf die Tierwelt gibt es bereits zahlreiche, zum Beispiel Zeitschaltuhren, Bewegungsmelder, Verzicht auf dekorative Beleuchtung, Verringerung der Beleuchtungsstärke, Reduktion des Blaulichtanteils, Verwendung von PC Amber LED oder LED mit Farbtemperaturen unter 3000 Kelvin. Diese sollten nun bei Neubauvorhaben oder Umbaumaßnahmen unbedingt Beachtung finden. In Parkanlagen sollte nachts ganz darauf verzichtet werden. Ein positiver Nebeneffekt einer optimierten Beleuchtung: erhebliche Kosten- und CO2-Reduktion. Es spricht also alles dafür, die Beleuchtung auch nach Überwindung der Energiekrise nicht einfach wieder einzuschalten, sondern zukünftig bedachter mit der Ressource Licht umzugehen. Selten ist Naturschutz so einfach.

Zur Person

Juliana Schlaberg ist studierte Geoökologin und seit 2020 als Naturschutzreferentin beim Berliner Landesverband des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) tätig.

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