Spiel und Bewegung

Exkurs-Redakteur Hendrik Behnisch über die Entstehung des Weltspielplatzes im Osten Berlins.

Der Weltspielplatz in Berlin bildet die Kontinente ziemlich unkonventionell ab – so finden sich beispielsweise im Spielbereich „Australien“ keine Koala- und Kängurufiguren, sondern eine Wombathöhle sowie eine Fledermausschaukel.  Foto: Exkurs

Der Weltspielplatz in Berlin bildet die Kontinente ziemlich unkonventionell ab – so finden sich beispielsweise im Spielbereich „Australien“ keine Koala- und Kängurufiguren, sondern eine Wombathöhle sowie eine Fledermausschaukel. Foto: Exkurs

Wer Berlin besucht, mag manchmal über den Umgangston der Einheimischen – die berüchtigte „Berliner Schnauze“ – verwundert sein. Zugegeben: Die Hauptstadt zählt sicher nicht zu den Höflichkeits-Hotspots des Landes und wirkt deshalb für manch einen wenig einladend. Dass Berlin abseits von Schnodderigkeit, Politik und Partys aber auch ganz viel Wärme zu bieten hat, zeigt unter anderem ein Spielplatz, der ein starkes Zeichen für Völkerfreundschaft setzt: Der Weltspielplatz im Treptower Park. Dennoch hat die von Kindern konzipierte Anlage anfangs heftige Kritik geerntet.

Ein Ort starker Symbolik

Die Rahmenbedingungen für einen neuen Themenspielplatz im Treptower Park waren ideal: Knapp 8.000 m2 Brachfläche am Rande der weitläufigen Grünanlage warteten nur darauf, wieder nutzbar gemacht zu werden. 2007 fasste das Straßen- und Grünflächenamt Treptow-Köpenick dann den Entschluss, einen neuen Spielplatz zu errichten. Dieser sollte als räumliche Fortsetzung der „Brücke der Herzen“ dienen, welche sich im hohen Bogen über die Spree schwingt und geradewegs auf die „Insel der Jugend“ führt. Passend dazu sind in das Brückenpflaster die Namen und Autogramme von Prominenten eingelassen, die sich weltweit für Kinder einsetzen. Das erzeugt nicht nur ein wenig „Walk of Fame“-Feeling, sondern widmet den Ort auch ganz explizit Kindern und Jugendlichen.

Mit dem Weltspielplatz wurde dieser Gedanke konsequent zu Ende gedacht. Denn die Gestaltungsideen wurden in einem Workshop von Kindern der Berlin Brandenburg International School in Kleinmachnow entwickelt. Der Spielplatz sollte ihren Vorstellungen von der Welt Gestalt verleihen. Das Besondere daran: Die beteiligten Kinder kommen aus aller Herren Länder, sodass ihre Ideen nicht Schulbüchern, sondern persönlichen Erfahrungen entstammen.   

Dieser Ansatz hat für einige Überraschungen gesorgt. So hält man im Spielbereich „Australien“ beispielsweise vergeblich nach einer (klischeehaften) Koala-Figur Ausschau. Stattdessen findet sich dort eine Fledermausschaukel, deren Bau ein australisches Mädchen vorschlug. Fledermausschwärme in der Dämmerung weckten bei ihr viel eher Heimatgefühle als Koalas oder Kängurus.

Auch Südamerika wird auf dem Weltspielplatz anders als gewohnt dargestellt: Nicht etwa eine Inka-Pyramide, sondern ein Bolzplatz repräsentiert hier den Kontinent. Da insbesondere Brasilien und Argentinien schon immer echte Ausnahme-Fußballer hervorgebracht haben, ist das auch absolut schlüssig – wenn auch erst auf den zweiten Blick. Ebenso unkonventionell kommt Europa daher: Dass „die alte Welt“ in Form eines Bauernhofs und eines großen Stücks Käse Gestalt annimmt, hätte außer unseren niederländischen Nachbarn wohl kaum jemand erwartet.

Schritt-für-Schritt-Bauprozess

Trotz aktiver Kinderbeteiligung und innovativer Gestaltung hat der Weltspielplatz allerdings nicht nur für positive Schlagzeilen gesorgt. Das liegt vor allem an der Länge des Bauprozesses, denn wirklich vollendet ist der Themenspielplatz bis heute nicht. Ja, der Baubeginn liegt über zehn Jahre zurück, doch vor Assoziationen zum Pannenflughafen BER sollten wir uns an dieser Stelle hüten. Denn die Prozessdauer hat nichts mit Missmanagement zu tun, sondern mit den Tücken der Fördermittelbeschaffung. Bei Projekten dieser Größenordnung kann es sich quälend in die Länge ziehen, das nötige Kleingeld aufzutreiben.

Kaum einer weiß das besser als Kirsten Plietzsch vom Straßen- und Grünflächenamt Treptow, die das Projekt von Anfang an begleitet hat. „Weil der Bau nicht in einem Rutsch erfolgen konnte, waren immer wieder mit dem Vorwurf der Geldverschwendung konfrontiert“, berichtet sie. Die Unkenrufe könne sie sogar nachvollziehen, sagt Plietzsch. Denn nach den Grundflächen für den Spielplatz – die immerhin 800.000 Euro kosteten – wurden erstmal keine Spielgeräte aufgebaut. Es mussten zunächst mehr Fördermittel beantragt werden. Offiziell eröffnet wurde der Weltspielplatz trotzdem.

Damals, im Jahr 2013, habe die Öffentlichkeit voll Häme gefragt: „Was sollen die Kinder mit einem leeren Spielplatz anfangen?“ Das führte sogar so weit, dass der Komiker Mario Barth das Projekt in seiner Sendung genüsslich auf die Schippe nahm. Doch der Versuch einiger Unverbesserlicher, das Bauprojekt zu skandalisieren, ist nur eine Seite der Medaille. Es hat auch stets viel Unterstützung aus der Bevölkerung für den nur langsam wachsenden Spielplatz gegeben, wie Plietzsch betont: „Letztlich wurde der Weltspielplatz nicht nur mit Fördermitteln der EU, des Bundes und des Landes Berlin finanziert. Auch Crowdfunding-Kampagnen und zahllose Kleinspenden haben geholfen, das Projekt voranzutreiben.“

Dass dafür viel Geduld und guter Wille erforderlich waren, sieht Plietzsch nicht nur als Nachteil: „Der Weltspielplatz ist wie ein Garten, der über viele Jahre hinweg gediehen ist. Das hatte auch seinen Reiz. Denn wann immer punktuell ein neues Spielgerät hinzugekommen ist, war die Freude groß. Und von solchen Momenten gab es einige.“

Im Jahr 2022 kann man guten Gewissens festhalten: Ja, die Mühen haben sich gelohnt. Das kann man jeden Sommer aufs Neue beobachten, wenn es auf dem Weltspielplatz „vor Kindern nur so wimmelt“, wie Plietzsch berichtet. Und die „Berliner Schnauze“ ist dann nur eine von vielen Sprachen, die dort zu hören sind. hb

Zur Person

Hendrik Behnisch, 1985 in Berlin geboren, ist seit 2018 verantwortlicher Redakteur des Supplements "Exkurs", das alle drei Monate den grünen Titeln des Patzer Verlags beiliegt. Zudem wirkt er an den Fachzeitschriften Neue Landschaft und Pro Baum mit.

www.neuelandschaft.de