Spielräume für alle

Exkurs-Redakteur Hendrik Behnisch über die Erlebnis-Potenziale von öffentlichen Spielplätzen.

Auf den Hüpfplatten von espas kommen Kinder unterschiedlicher Altersgruppen zusammen und schulen beim Hin- und Herspringen auch ihren Gleichgewichtssinn. Foto: espas

Wer ein völlig ungezwungenes Gemeinschaftsgefühl erleben will, braucht nur auf einen Spielplatz zu gehen. Zwar sind die gekonnt gestalteten Erlebnisräume zuallererst die Domäne von Kindern, doch sind es bei weitem nicht nur die Kleinen, die dort auf ihre Kosten kommen. Spielplätze besitzen völlig altersunabhängig einen Sog, der es fast unmöglich macht, dort nur als Zaungast zu verweilen. Kaum angekommen, ist man schon mittendrin. Und so dienen uns Spielräume zunehmend als wohltuende Begegnungsstätten, deren heiter-turbulentes Treiben eine Einladung an (fast) alle darstellt. Auch wenn in der Praxis auf vielen Spielplätzen noch buchstäbliche Barrieren bestehen, schreitet die Teilhabe aller immer weiter voran.

Miteinander der Generationen

Spielplätze deswegen als urbane Oasen zu bezeichnen, wäre vielleicht übertrieben. Gleichwohl vereinen sie gerade in Städten eine Vielzahl von Funktionen in sich, die für ein gesundes Sozialklima unerlässlich sind. Für die Kleinen stellen sie abenteuerliche, erkundenswerte Räume dar, in denen sie sich austoben können – ganz gleich, ob im Kontakt mit anderen Kindern oder allein. Auch die Eltern-Kind-Beziehung profitiert vom gemeinsamen Spielplatzbesuch: Wer sich nicht gerade mit dem Smartphone auf die Sitzbank zurückzieht, wird dank Schaukel, Wippe und Co. mit seinen Sprösslingen ganz besondere Endorphin-Schübe teilen können. Und selbst die Älteren, die häufig nicht aktiv ins Spielgeschehen eingreifen, geraten keinesfalls ins Abseits. Erklimmt das Enkelkind beispielsweise den Kletterturm, ist das Hochgefühl erst dann vollkommen, wenn es Oma und Opa stolz von oben aus zuwinken kann.

Generell gilt: Auf Spielplätzen herrscht das ungeschriebene Gesetz eines rücksichtsvollen Miteinanders. Die Ellbogen bleiben eingefahren, schließlich wollen hier alle eine gute Zeit verbringen. Der gesellschaftliche Wert von Spielplätzen geht somit weit über ihren Beitrag zum Kindeswohl hinaus. Angesichts dessen wäre es zu erwarten, dass Spielräume in unserem Land nicht nur vehement verteidigt, sondern auch konsequent ausgebaut werden. Die Realität ist im Zuge der unaufhaltsam voranschreitenden Urbanisierung jedoch eine andere. Stichwort: Flächenknappheit.

Zwiespältiger Status quo

Wie die dpa im vergangenen Jahr vom Deutschen Kinderhilfswerk erfuhr, schwinden die Spielflächen in unseren Städten zusehends. Ähnlich wie das Stadtgrün müssen sich auch Spielplätze einen knallharten Konkurrenzkampf mit allen möglichen Bauvorhaben liefern. Das bringt uns in eine paradoxe Situation: Während die Spiel- und Aufenthaltsqualität der Spielplätze in immer neue Sphären vorstößt, nimmt ihre Quantität beständig ab.

Dass in manchem Rathaus ein Umdenken in puncto Spielplatz-Relevanz einsetzen muss, steht außer Frage. Denn wie sollen Spielräume ihrer sozialen Funktion gerecht werden, wenn sie nicht als städtebauliches „Essential“, sondern lediglich als „Nice to have“ angesehen werden? Dabei werden Spielplätze in Zukunft noch mehr leisten müssen: Denn der eingangs erwähnte Übergang vom Status quo „Spielräume für fast alle“ zum Ideal „für alle“ steht an. Deshalb stellt das Thema „Inklusion“ schon heute eine Großbaustelle in der Spielplatzplanung dar. Zwar haben Spielräume – wie oben dargelegt – schon immer verschiedenste Bevölkerungsgruppen zusammengebracht. Doch Hand aufs Herz: Menschen mit Behinderung blieben dabei häufiger außen vor, als uns lieb sein kann. Deshalb umreißt der Begriff „Inklusion“ gewissermaßen die nächste Entwicklungsstufe von Spielräumen. Durch eine barrierefreie Gestaltung wird dann auch ein Kind im Rollstuhl kein überraschender Anblick mehr auf dem Spielplatz sein. Die Grundlage dafür hat das Deutsche Institut für Norm mit der Änderung der DIN-Norm 18034 bereits geschaffen. Von nun an sind Kommunen dazu verpflichtet, Spielplätze inklusiv zu planen. Das ist eine gute Nachricht. Denn bei allen Verdiensten von Spielplätzen für die Mehrheit der Bevölkerung: Erst wenn behinderte Menschen nicht mehr durchs Planungs-Raster fallen, können wir unserem Credo „Spielräume für alle“ auch vollends gerecht werden.

Hendrik Behnisch

Zur Person

Hendrik Behnisch, 1985 in Berlin geboren, ist seit 2018 verantwortlicher Redakteur des Supplements "Exkurs", das alle drei Monate den grünen Titeln des Patzer Verlags beiliegt. Zudem wirkt er an den Fachzeitschriften Neue Landschaft und Pro Baum mit.

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